23. Kap. Dionysius, Bischof von Korinth, und seine Briefe.
Was Dionysius betrifft, ist zunächst zu bemerken, daß er den bischöflichen Thron der Kirche in Korinth erhalten hatte und daß er an seinem gottbegeisterten Eifer nicht allein seine Untergebenen, sondern neidlos auch bereits fremde Diözesanen teilnehmen ließ. Besonders nützlich machte er sich allen durch seine katholischen Briefe an die Kirchen. Von diesen Briefen ist einer an die Lacedämonier gerichtet; in demselben lehrt er den rechten Glauben und mahnt zu Friede und Einigkeit. Ein anderer Brief wendet sich an die Athener. In diesem sucht er Glauben und evangelisches Leben zu wecken und macht er den Athenern den Vorwurf, daß sie dies vernachlässigt haben und fast von der Lehre abgefallen seien, seitdem ihr Bischof Publius — es war zu seiner Zeit — den Martertod erlitten hat. Er gedenkt (daselbst) des Quadratus,1 der nach dem Martyrium des Publius S. 194 ihr Bischof geworden war, und stellt ihm das Zeugnis aus, daß die Athener dank seinem Eifer sich wieder gesammelt haben und zu neuem Glaubensleben erwacht seien. Ferner teilt er (daselbst) mit, daß Dionysius der Areopagite, der nach dem Berichte der Apostelgeschichte2 von dem Apostel Paulus für den Glauben gewonnen worden war, zum ersten Bischof der Kirche in Athen erwählt wurde. Ein weiterer, noch vorhandener Brief des Dionysius ist an die Bewohner von Nikomedien gerichtet. In demselben bekämpft er die Häresie des Marcion und stellt sich auf den Boden des wahren Glaubens. In einem Briefe, der an die Kirche zu Gortyna und zugleich an die übrigen Kirchen auf Kreta gerichtet ist, belobt er deren Bischof Philippus, daß sein Sprengel sich durch blühendes Tugendleben auszeichne, und warnt vor Verführung durch die Häretiker. In dem Briefe, den er an die Gemeinde in Amastris und zugleich an die Gemeinden des Pontus geschrieben, gedenkt er des Bacchylides und Elpistus, sofern sie Anlaß des Schreibens waren, und gibt darin Erklärungen zu Bibelstellen und erwähnt ihren Bischof namens Palmas. Auch richtet er an sie zahlreiche Mahnungen bezüglich der Ehe und Jungfräulichkeit und fordert sie auf, alle jene, welche sich von irgendeinem Falle, einem Irrtum oder selbst von einer Häresie bekehren, wieder aufzunehmen. Unter den Briefen des Dionysius befindet sich auch noch einer an die Bewohner von Knossus.3 In diesem ermahnt er Pinytus, den Bischof des Sprengels, er solle den Brüdern bezüglich der Enthaltsamkeit keine schwere Lasten als unerläßliche Pflichten auferlegen, sondern der Schwäche der Mehrzahl gebührend Rechnung tragen. In einem Antwortschreiben auf diesen Brief stimmt Pinytus dem Dionysius bewundernd zu, macht aber den Gegenvorschlag, jetzt kräftigere Nahrung zu verabreichen und seine Leute nunmehr mit höheren Lehren zu bedenken, damit sie nicht schließlich, immer nur mit S. 195 geistiger Milch wie Kinder erzogen, unvermerkt erschlaffen. Aus diesem Antwortschreiben tritt uns wie in einem fein ausgeführten Bilde Pinytus in seiner Rechtgläubigkeit, seiner Sorge für das Wohl seiner Untertanen, seiner wissenschaftlichen Begabung und seinem Verständnis für das Göttliche entgegen. Auch wird ein Brief des Dionysius an die Römer überliefert.4 Er ist an den damaligen Bischof Soter gerichtet. In demselben sind vor allem erwähnenswert die Worte, in denen Dionysius eine bis auf die Verfolgung unserer Tage von den Römern festgehaltene Sitte lobt. Er schreibt nämlich: „Von Anfang hattet ihr den Brauch, allen Brüdern auf mannigfache Weise zu helfen und vielen Gemeinden in allen Städten Unterstützungen zu schicken. Durch die Gaben, die ihr von jeher geschickt habt, da ihr als Römer einen überlieferten römischen Brauch festhaltet, erleichtert ihr die Armut der Dürftigen und unterstützt ihr die in den Bergwerken lebenden Brüder. Euer heiliger Bischof Soter hat diesen Brauch nicht nur festgehalten, er hat ihn auch noch erweitert, soferne er sowohl reichliche Gaben an die Heiligen spendet als auch die (nach Rom) kommenden Brüder wie ein liebender Vater seine Kinder mit frommen Worten tröstet.“ In dem gleichen Briefe erwähnt Dionysius auch den Brief des Klemens an die Korinther und bemerkt, daß er schon von jeher nach altem Brauche verlesen wurde. Er sagt: „Wir feiern heute den heiligen Tag des Herrn und haben an demselben euren Brief verlesen, welchen wir gleich dem früheren durch Klemens uns zugesandten Schreiben stets zur Belehrung verlesen werden.“5 Bezüglich der Fälschung seiner Briefe bemerkt Dionysius: „Auf die Bitte von Brüdern hin, zu schreiben, habe ich Briefe verfaßt. S. 196 Die Apostel des Teufels haben dieselben mit Unkraut angefüllt, indem sie einiges strichen, anderes hinzufügten. Ihnen gilt das Wehe.6 Man kann sich daher nicht darüber wundern, daß einige sich erkühnt haben, selbst die Schriften des Herrn zu fälschen, da sie es sogar bei nicht so wertvollen Schriften versuchten.“ Außer den erwähnten Briefen des Dionysius existiert noch einer, den er an die gläubige Schwester Chrysophora geschrieben und worin er in entsprechender Weise auch ihr passende geistige Nahrung verabreichte. So viel über Dionysius.7
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Vgl. oben IV 3 (S. 158 Anm. 1). ↩
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17, 34. ↩
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auf Kreta. ↩
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Vgl. oben II 25. ↩
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Über die Frage, ob hier auf den sog. zweiten Klemensbrief verwiesen ist, vgl. Funk, „Der sog. zweite Klemensbrief“, in Theol. Qu. Schr. 84 (1902) S. 349 ff.; v. Harnack, „Zum Ursprung des sog. zweiten Klemensbriefes“ in Zeitschr. f. d. neutestamentl. Wiss. 6 (1905) S. 67 ff. ↩
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Vgl. Apok. 22, 18 f. ↩
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Sämtliche Schriften des Dionysius von Korinth sind verlorengegangen. ↩